+++ erneut ca. 500 Menschen auf Antifa-Demo setzen klares Zeichen gegen Naziaufmarsch und deutschen Opfermythos +++ Tanzdemo trägt kreativen und vielfältigen Protest nach Remagen +++ Zahl der Nazis steigt weiter auf fast 250
Tanzdemo & Proteste
Am heutigen 18. November 2017 versammelten sich um viertel nach 10:00 Uhr mehrere hundert Menschen u.a. aus NRW, Rheinland-Pfalz, Hamburg und Hessen vor dem Bahnhof Remagen zur antifaschistischen Tanzdemonstration „Opfermythos Remagen zerstören – Rheinwiesen wieder positiv besetzen!“, um, während die aufmarschierenden Nazis um ihre vermeintlichen Opfer trauerten, das mit der Besetzung der Rheinwiesen verbundenen Ende ihres Vernichtungsfeldzugs zu feiern. Bei einer kurzen Auftaktkundgebung thematisierte das veranstaltende Bündnis „NS Verherrlichung stoppen!“ in einer Rede v.a. die Verbrechen und Morde von Nazis und die Notwendigkeit, sich bei deren Aufklärung und Erinnerung nicht auf den Staat zu verlassen. Anschließend wurden die zu dem Zeitpunkt erst 150 angereisten Nazis am Bahnhof mit lautstarken Parolen und einem Konzert des Rappers Kutlu von Microphone Mafia in Empfang genommen. Als die Nazis ihre Kundgebung begonnen hatten, setzte sich auch die Tanzdemo lautstark und bester Laune in Richtung jüdischem Friedhof in Bewegung. Auf dem Weg dorthin versuchte eine Gruppe von 30 Antifaschist*innen auf die Route auszubrechen, dies wurde allerdings durch die Polizei direkt unterbunden. Am jüdischen Friedhof erhielten auch dieses Jahr wieder Genoss*innen den ganzen Tag über eine Kundgebung aufrecht, um zu verhindern, dass die Nazis ihre Demo dort entlang führen konnten. Vor zwei Jahren ist es genau dort zu antisemitischen Zwischenfällen und Bedrohungen gegenüber den Genoss*innen der Kundgebung gekommen. Diese sind dieses Jahr zwar nicht wiederholt worden, dennoch schien die bloße Existenz dieser Kundgebung mit der Parole „Gegen jeden Antisemitismus“ einige anwesende Personen so sehr zu provozieren, dass wir die Notwendigkeit dieser Kundgebung leider absolut bestätigt sehen.
An der Fachhochschule, in unmittelbarer Nähe zur Schwarzen Madonna, kam unsere Tanzdemo in Hör- und Sichtweite des „Heldengedenkens“ der Nazis. Mit lauter Musik und Parolen wurde dieses SS-Ritual der Nazis gestört. Parallel dazu starteten viele Antifaschist*innen den Versuch, noch näher an bzw. auf die Naziroute zu kommen und verteilten sich dazu im Stadtgebiet. Auch dieses Jahr mussten die Nazis ihre Demo wieder schon auf der Straße etwa hundert Meter vor der Schwarzen Madonna stoppen und konnten nicht auf ihr gewünschtes „Feld des Jammerns“ gehen.
Nachdem sich die Nazis wesentlich früher als sonst wieder in Bewegung gesetzt hatten, formierte sich auch die Tanzdemo um zurück zum Bahnhof zu laufen. Dabei wurden sich mehrfach an die Bevölkerung Remagens gewandt und diese aufgefordert, selber aktiver gegen den jährlichen Naziaufmarsch zu werden. Allgemein lässt sich festhalten, dass der diesjährige Charakter unserer Demo wesentlich mehr Anwohner*innen als in den letzten Jahren positiv aufgestoßen ist und wir mit vielen Menschen ins Gespräch gekommen sind. Das beweist für uns, dass eine Tanzdemo durchzuführen das genau richtige Konzept war, um den Protest gegen den diesjährigen Naziaufmarsch auf die Straße zu tragen.
Die Nazis
Quelle: Infozentrale
Bis vor zwei Jahren sank die Anzahl der Nazis beim Trauermarsch noch jährlich bis auf 120. Letztes Jahr ist die Zahl dann erstmals seit langer Zeit auf 200 angestiegen. Dieses Jahr waren es nach aktuellen Erkenntnissen 246 Teilnehmer*innen. Hier ist deutlich zu sehen, dass der Abwärtstrend beendet wurde und die Zahl der Menschen, die offen ihre Verherrlichung des Nationalsozialismus auf die Straße tragen, wieder angewachsen ist. Zu dieses tendenziell steigenden Zahl führen unserer Meinung nach insbesondere drei verschiedene Faktoren. So ist die steigende Vernetzung der lokalen rechtsterroristischen Naziszene mit Sicherheit einer der wichtigsten Faktoren. Dieser zeigt sich nicht zuletzt auch daran, dass neben den immer anwesenden Strukturen aus den Regionen Mittelrhein, Bonn, Dortmund und Wuppertal, selbst Teile von die Rechte Baden-Würtemberg dieses Jahr ihren Weg nach Remagen gefunden haben. Auch die erneute Anwesenheit von Nazis aus Neuruppin und dem Nordharz beim diesjährigen Aufmarsch und die Tatsache, dass die Organisatoren des jährlichen Aufmarsches in Remagen auch den Rudolf Heß-Gedenkmarsch dieses Jahr in Berlin angemeldet und mitorganisiert haben. Als zweiter wichtiger Faktor ist wohl das Rechtsrockkonzert „Verteidige Europa“ der Bands „Blitzkrieg“, „Exzess“, „Germanium“ und „Barbarossa“ zu nenne, welches heute Abend in Westdeutschland stattfinden soll und explizit dafür geworben hat, erst am Aufmarsch in Remagen und dann am Konzert teilzunehmen. Als dritter Faktor ist der gesellschaftliche Rechtsruck anzuführen, welcher dafür sorgt, dass die Nazis in der breiten Gesellschaft ein größeres Potenzial für die Verbreitung ihrer nationalsozialistischen Ideologie sehen.
Fazit
Unter den noch frischen Eindrücken blicken wir mit einem durchweg positiven Gefühl auf den heutigen Tag zurück.
So ist die breite und spektrenübergreifende Mobilisierung nach Remagen, der kreative und vielfältige Charakter der Tanzdemo und auch das unerwartet zurückhaltende Verhalten der Polizei positiv zu bewerten. Auch die Provokationen durch Anwohner*innen blieben dieses Jahr aus. Außerdem haben auch Friedensbündnis und AstA dieses Jahr ihren Protest erstmals nicht weit entfernt von den Nazis in der Innenstadt, sondern direkt auf dem Gelände der FH und damit in der Nähe zur Nazikundgebung, abgehalten. Negativ zu bewerten ist allerdings, dass dort Teilnehmer*innen, die äußerlich dem linken Spektrum zugerechnet wurden, nicht willkommen waren. Auch kann eine solche grundsätzlich positive Entwicklung lediglich ein Anfang sein auf einem Weg hin zu einer klaren Kritik von nationalsozialistischem und geschichtsrevisionistischem Gedankengut, und der Äußerung eben dieser in einer Art und Weise, in welcher sie die Nazis auch mitbekommen. Denn der Kampf gegen den Opfermythos Remagen ist noch lange nicht vorbei.
Ein ausführlicheres Fazit werden wir im Laufe der nächsten Wochen veröffentlichen. Jetzt bleibt uns erst einmal nur noch ein großer Dank den vielen Antifaschist*innen die am heutigen Tag mit uns auf der Straße waren und dem Seniorenbeirat Remagen, die wieder deutlich Flagge gezeigt haben!