Neonazis an Hochschulen und Universitäten

Mehr Bildung gegen Nazis – eine weitverbreitete Parole.
Dahinter steckt das Bild vom dummen, ungebildeten, gewalttätigen, männlichen und meistens arbeitslosen Neonazi, am besten noch kahlrasiert und mit Bomberjacke.
Doch hilft Bildung wirklich gegen Nazis?
Und stimmt dieses Bild noch?
Wie passt es dazu, dass nicht wenige Nazis studieren?
Nach der Razzia gegen das Aktionsbüro Mittelrhein war in der Presse zu lesen, dass einige der Abgeklagten am studieren waren. Eine Einschätzung dazu gibt es bisher nicht.

Ein Diskussionsbeitrag der Kampagne NS-Verherrlichung stoppen – Kein Naziaufmarsch in Remagen oder anderswo!

Hochschule Koblenz, Campus Remagen – Aktionsbüro Mittelrhein:
In Remagen gab es schon vor der Razzia Diskussionen um an der Hochschule um studierende Nazis vom Aktionsbüro Mittelrhein. Anlass war ein Brief der Professorenschaft nach der Wahlrunde 2009 / 2010: „Die Professorenschaft begrüßt es ausdrücklich, dass bei den studentischen Wahlen zwei aktive Neonazis, die kandidiert haben, nicht in die Gremien gewählt worden sind“.
Angetreten waren: David H (Studium der Gesundheits- und Sozialwirtschaft) und Christian H (Sportmanagement).
David H, mittlerweile ausgestiegen, trat beim Naziaufmarsch in Remagen 2010 direkt neben seiner Hochschule als Redner auf.

Ein weiterer Neonazi der in Remagen studierte war Alexander H. Er gab in einem Brief bekannt, dass er in der Weinbergstraße in Bad Neuenahr wohne. Dort befand sich zu diesem Zeitpunkt dass sogenannte Braune Haus, ein Wohnprojekt von Neonazis, das als Zentrale des Aktionsbüro Mittelrhein diente.

Von Ahrweiler an die Universität Jena:
Was oft vergessen wird: in der Naziszene sind nicht nur Männer. Ein Beispiel ist Lisa B, die aus dem Landkreis Ahrweiler stammt und beim Aktionsbüro Mittelrhein aktiv war.
Sie zog nach Jena, um dort Volkskunde zu studieren. Als bei einem Aufmarsch in Berlin-Kreuzberg Neonazis eine friedliche Sitzblockade angriffen, war sie mit dabei.
Mittlerweile wohnt sie mit ihrem Lebensgefährten und einem gemeinsamen Kind in einem kleinen Dorf in Thüringen, das eine Neonazi-Hochburg ist. Ihr Lebensgefährte ist wegen schweren Gewalttaten vorbestraft.

Universität Mainz – beleidigt, bespuckt, zusammengeschlagen:
Mario Matthes im Gericht
Bildunterschrift: Mario Matthes im Gericht.

Neonazis stellen für alle, die nicht in ihr Weltbild passen, eine körperliche Gefahr dar. Dies zeigt ein Beispiel aus Mainz, das es bis in die BILD-Zeitung schaffte:

Der Nazi-Kader Mario Matthes sorgte jahrelang an der Mainzer Uni für Diskussionen. Nachdem er 2008 einen Komilitonen erkannte, der auf einer Anti-Nazi-Demo gewesen war, wurde Mario Matthes in der Nähe der Uni-Mensa aggressiv: erst beleidigte und bespuckte er den vermeintlichen Nazi-Gegner, dann schlug er ihn brutal zusammen. Dem Betroffenen wurde von der Unileitung daraufhin empfohlen, nicht alleine über den Campus zu gehen und zur Sicherheit eine Trillerpfeife mit sich zu führen. Dies sorgte für Empörung, daraufhin wurde Mario Matthes exmatrikuliert – für ein Semester.
Er ist bis heute in der Szene aktiv und beteiligt sich beispielsweise an neonazistischen Aufmärschen.

Universität Trier – NPD-Kader und Krankenhaus für abgerissene NPD-Plakate:
Für jahrelange Diskussionen über den richtigen Umgang sorgte der NPD-Kader Safet Babic. Nachdem er unerkannt im Umfeld des linken AStAs agierte und sich hier durch globalisierungskritische Tönen zu profilieren versuchte, gründete er nach seiner Enttarnung eine „nationale Liste“ und zog mit einem Mandat in das Studierendenparlament ein. Von hieraus überzog er den AStA mit Klagen. Insbesondere versuchte dem AStA zu verbieten, sich zu allgemein politischen Themen zu äußeren und zu engagieren. Eine antifaschistische Positionierung der Studierendenschaft sollte damit unterbunden werden. Babic scheiterte vor Gericht.
Babic ist Teil des Landesvorstands der NPD und tritt als Redner bei rechten Aufmärschen auf.

Weniger bekannt ist ein weiterer Fall aus Trier: Ein aus Koblenz stammender Jura-Student und Orgelpianist übernahm die Funktion des Fahrers, als Neonazis unter Führung Babics in der Trierer Innenstadt Jagd auf Jugendliche machten, die NPD-Plakate abgehängt hatten. Für einen der Jugendlichen endete die Nacht im Krankenhaus.

Weitere Beispiele zeigen, dass es nicht nur um studierende Neonazis als Problem geht, sondern der gesamte Bereich Bildung ist betroffen.

Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn – angeklagte Schüler und AfD-Lehrer:
Der im Prozess gegen das Aktionsbüro Mittelrhein Angeklagte Cornelius D war bereits als Schüler Mitglied in der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn, einer Gruppe die durch die Forderung nach einem „Arier-Paragraphen“ international bekannt wurde.
Der Lehrer Joachim Paul ist ebenfalls Mitglied der Raczeks, er trat als Kandidat für die AfD zu den Koblenzer Stadtratswahlen an. Joachim Paul unterrichtet an einer Schule in Neuwied. Aktuell ist er im rheinland-pfälzischen Landesvorstand der AfD.
adfrlp
Bildunterschrift: Der Kreisvorstand der AfD Neuwied. Zweiter von rechts: Joachim Paul.
Quelle: Screenshot der Homepage: http://www.alternative-rlp.de

Universität Bonn – von pro NRW bis hin zu militanten Neonazis
In Bonn gibt es seit Jahren ein Naziproblem an der Uni. Als Beispiele für extrem rechte Verstrickungen gelten sowohl das politische Seminar mit dem erimitierten Anti-Antifa Prof. Hans-Helmuth Knütter als auch die Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn mit dem ehemaligen Landesgeschäftsführers der 1995 verbotenen freiheitlich deutschen Arbeiterpartei (FAP) Norbert Weidner.

Die nicht-vorhandene Trennung zwischen akademischen extrem Rechten und militanten Nazis treten in Bonn immer wieder ans Licht. Letztes Beispiel: Im September 2014 fand auf dem Haus der Raczeks eine neurechte „Büchermesse“, der sogenannte Zwischentag statt. Die Veranstaltung hatte eigentlich in einem Hotel in Düsseldorf stattfinden sollen, dort waren die Neurechten aber ausgeladen worden.

Auch in der Studierendenschaft bewegen sich immer wieder Neonazis. Zum Sommersemster 2014 studierten gleich mehrere rechte Kader:

Nico Ernst wurde im Kameradschaftsumfeld und der NPD politisierte, heute ist er aktiv bei pro NRW, seit 2009 sitzt Ernst auch für pro NRW im Bonner Stadtrat.

Christopfer von Mengersen, angetreten für pro NRW zur Kommunalwahl 2014 ist Student der Geschichtswissenschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Bei der Kommunalwahl kandidierte er für pro NRW als“Spitzenkandidat“ für die Bezirksvertretung Bad Godesberg

Als Studienfachwechsler kam aus Bielefeld der in der Neonaziszene als NS-Rapper bekannte Julien Fritsch aka MaKss Damage an den Rhein.
Fritsch
Auch wenn unklar ist, ob und vor allem was Ernst jemals zu Ende studieren wird, bleiben mit ihm, von Mengersen und Fritsch, dessen akademische Zukunft zwar aktuell ungewiss ist, dem Rheinland und damit wenigsten teilweise auch der Bonner Uni drei braune Protagonisten erhalten.

Eifel – Leiterin einer Kindertagesstätte war Moderatorin in Nazi-Internet-Forum:
Für Schlagzeilen sorgte im Juli 2014 Nicola B, Leiterin einer christlichen Kindertagesstätte in Treuenbrietzen (Brandenburg). Sie wurde gefeuert, nachdem bekannt geworden war, dass sie Moderatorin im neonazistischen Thiazi-Forum gewesen war und deswegen auch Hausdurchsuchungen hatte.
Bevor sie in Treuenbrietzen arbeitete, arbeitete sie in einer Kindertagesstätte in der Eifel. Zu diesem Zeitpunkt schrieb sie im thiazi-Forum: In ihrem Ort „gibt es bemerkenswerterweise keinen einzigen Schwarzen. Wenn ich in die nächste größere Stadt fahre, ist das Bild aber schon wieder ein völlig anderes, und dort würde ich mein Kind auch um keinen Preis in die Kita schicken wollen“.

Universität Koblenz – Rechtspopulismus:
Der angehende Lehrer Andreas Beck sitzt im Kreisvorstand der AfD Neuwied und zog bei den Kommunalwahlen im Mai in den Kreistag von Neuwied ein.
In Koblenz und Mainz beteiligte er sich an rassistischen Hetzveranstaltungen der rechtspopulistischen Organisation Pax Europa. Diese Veranstaltungen wurden von der rechtspopulistischen und offen rassistischen Website PI-News unterstützt sowie von öertlichen PI-Gruppen. Als Redner trat Michael Mannheimer auf, der bereits wegen Volksverhetzung verurteilt wurde.
Im AstA der Universität wurde dieses Engagement von Andreas Bleck als Privatsache gewertet, es sei kein Grund sich von ihm zu distanzieren oder ihn aus dem AstA zu schmeissen.
Für die studentischen Gremien der Hochschule Koblenz hingegen war die Sache klar: keine Zusammenarbeit mit der Uni, solange Rassismus-Andreas im AstA sitzt.

Afd Neuwied
Bildunterschrift: Die beiden AfD-Abgeordneten aus dem Neuwieder Kreistag. Links im Bild: Andreas Bleck. Screenshot der Homepage: http://afdneuwied.de/

Strafverfahren gegen Aktionsbüro Mittelrhein eine Belastung für arme Neonazis?
Vor dem Gericht in Koblenz, wo seit zwei Jahren der Prozess gegen die Neonazis vom Aktionsbüro Mittelrhein stattfindet, drücken Verteidiger auf die Tränendrüse: Der lange Prozess belaste viele Angeklagten. „Wer drei Tage die Woche vor Gericht sitzt, findet keine Arbeit“, kritisiert Anwalt Franz Obst in der Rhein-Zeitung. Kollege Sven-Ingo Kölzsch sagt: „Viele Angeklagte gehen zur Schule oder studieren. Sie haben große Probleme.“

Dies gilt jedoch nicht für alle Angeklagten. Nicht alle werden durch den Prozess gestoppt, einige basteln bereits wieder an ihrer Karriere, wie das Beispiel eines Angeklagten aus dem kleinen Westerwaldörtchen Asbach zeigt: Dem studierten Informatiker Michael D wird vorgeworfen, für die interne Anti-Antifa-Datenbank des Aktionsbüros verantwortlich gewesen zu sein. Daneben war er bei der Kameradschaft „Sturm 08/12“ aktiv und pflegte seit Jahren enge Kontakte zu dem Neonazi-Funktionär und früheren NPD-Kandidaten Ralph Tegethoff. Nach eigenen Angaben hat er im Oktober 2013 in Koblenz ein Studium aufgenommen und spezialisiert sich im IT-Bereich. Bei ihm kann keine Rede davon sein, dass er wegen seiner jahrelangen Aktivitäten, der Untersuchungshaft und dem Verfahren in seinem Dorf gesellschaftlich isoliert ist: Eine einschlägige Facebook-Seite, die den vermeintlichen „Justizskandal“ in Koblenz anprangert, erfreut sich dort an Beliebtheit. Auch der Bürgermeister hatte zwischenzeitlich auf „gefällt mir“ geklickt.“

Nazis in Remagen
Bildunterschrift: Neonazis in Remagen

Hochschulen sind also keine Inseln des antirassistischen und antifaschistischen Glücks. Warum auch – das Problem des Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus ist ein gesamtgesellschaftliches – und wirkt sich dementsprechend auch an den Hochschulen aus.
Die Diskussion „Wie umgehen mit Nazis die studieren“ geht also gerade erst los!