+++ ca.500 Menschen auf Antifa-Demo setzen klares Zeichen gegen Rechtsterrorismus und den deutschen Opfermythos +++ Mehrere Blockadeversuche an der Naziroute +++ Zahl der Nazis seit Jahren wieder auf 200 gestiegen +++
Proteste / Blockadeversuche
Quelle: Infozentrale
Am heutigen 12. November 2016 um kurz nach 10 Uhr versammelten sich etwa mehrere hundert Menschen aus NRW, Rheinland-Pfalz und Hessen auf dem Bahnhofsplatz in Remagen zur antifaschistische Demonstration „Rechtsterrorismus bekämpfen – Genug ist genug!“, um ein deutliches Zeichen gegen NS Verherrlichung, Naziaufmarsch und deutschen Opfermythos zu setzen. Nach der Startkundgebung und dem lautstarken Begrüßen der zu dem Zeitpunkt erst 80 angereisten Neonazis am Bahnhof, ging die Demonstration gegen viertel nach 12 lautstark los durch die Innenstadt in Richtung des jüdischen Friedhofs. Die Zahl der Teilnehmer*innen stieg währenddessen auf eine Gesamtzahl von 500 Menschen. Bereits kurz nach Beginn des Demozugs brach eine Gruppe von Antifaschist*innen aus der Demo aus, um auf die Naziroute zu gelangen. Allerdings scheiterte dieser Versuch, weshalb die Gruppe kurz vor Erreichen des jüdischen Friedhofs wieder auf die Route der Antifa-Demo zurückkehrte. Am Friedhof fand eine Zwischenkundgebung mit Gedenkminute für Opfer der Shoa statt, ergänzt um eine Rede zu gesellschaftlichem und linken Antisemitismus und einer zweiten Rede, die die Erinnerungskultur und das Verantwortungsbewusstsein der deutschen Bevölkerung am Holocaust thematisierte. Letztes Jahr kam es genau hier zu antisemitischen Zwischenfällen und Bedrohungen gegenüber Genossen, die durch die Aufrechterhaltung einer Kundgebung verhindert haben, dass die Nazis ihre Hetze dort verbreiten können. Immerhin sind diese Angriffe dieses Jahr ausgeblieben. Während der Zwischenkundgebung wurden auch einige Neonazis am Rande der antifaschistischen Demo entdeckt, die allerdings direkt der Veranstaltung verwiesen wurden. Anschließend setzte sich der Demozug in Richtung Schwarze Madonna fort. Kurz darauf brachen wieder zwei Gruppen aus der Demo aus um weitere Störversuche zu unternehmen.
An der Fachhochschule, in unmittelbarer Nähe zur Schwarzen Madonna, traf unsere Demo kurz vor den Neonazis ein. Diese wurden dort lautstark „begrüßt“. Zeitgleich erreichte eine der ausgebrochenen Gruppe die Schwarze Madonna von der Hinterseite, wurde da jedoch von der Polizei festgesetzt und zum Rückzug gezwungen. Auch dieses Jahr mussten die Nazis ihre Demo wieder schon auf der Straße etwa hundert Meter vor der Schwarzen Madonna stoppen und konnten nicht auf ihr gewünschtes „Feld des Jammerns“ gehen..
Auf dem Rückweg zum Bahnhof kam es erneut zu Blockadeversuchen von ca. 100 Antifaschist*innen, diese wurden jedoch von der Polizei eingekesselt und Einzelpersonen zur Personalienfeststellung gewaltsam herausgezogen. Dabei wurde durch die Polizei Pfefferspray eingesetzt und auf am Boden liegende Personen eingetreten. Mehrere Personen wurden dabei verletzt und den Sanitäter*innen wurde der Zugang zu den Verletzten verweigert. Eine Person musste im Krankenhaus weiter versorgt werden und zwei Leute wurden in Gewahrsam genommen (kurze Zeit später aber wieder frei gelassen). Der Rest des Kessels konnte sich nach einiger Zeit dem Demozug wieder anschließen. Gegen 17 Uhr traten alle Antifaschist*innen die Heimreise an.
Die Nazis
Quelle: Leftpictures
Im Vergleich zu letztem Jahr, fanden dieses Mal wesentlich mehr Neonazis den Weg nach Remagen. Um 12 Uhr zum eigentlichen beginn waren es zwar nur etwa 80 Teilnehmer*innen hinter dem Bahnhof, die Zahl stieg aber während der Verlesungen der Auflagen auf geschätzte 200 Personen an. Das sind somit rund 80 mehr als letztes Jahr. Mit dabei waren Neonazis aus der gesamten Bundesrepublik u.a. die alten Strukturen des AB Mittelrhein aka JN Ahrtal und NPD Mittelrhein, der Kameradschaft Sturm 8/12 um Ralf Tegethoff aus dem Raum Bonn/Rhein-Sieg, die Rechte Dortmund, Rhein-Erft und Wuppertal, die NPD Mannheim, Rhein-Neckar und Pirmasens,TGDZ Karlsruhe, die Identitäre Aktion, die Heimattreue Bewegung, die Rechte Wuppertal.
Wie auch in den vergangenen Jahren kam der Lautsprecherwagen von Rene Laube aus Düren, welcher Teil der mittlerweile verbotenen Kameradschaft Aachener Land ist. Auch die Totenehrung nach SS Vorbild wurde wieder von Ralf Tegethoff durchgeführt. Weitere Reden hielten der ehemalige Feuerwehrchef Dortmunds Klaus Schäfer (Die Rechte), Kevin Koch aus Wuppertal und Sven Skoda aus Dortmund, der auch die gesamte Veranstaltung moderiert hat. Interessant zu beobachten ist dabei, dass die Neonazis in ihren Reden die Zahl der vermeintlichen deutschen Opfer der Rheinwiesenlager im Vergleich zur Mobi um die Hälfte nach unten, auf 500.000 reduziert haben. Dies zeigt erneut, dass es den Nazis nicht um Fakten geht, sondern einzig und allein darum, die deutschen Verbrechen zu glorifizieren und ihre menschenverachtende Ideologie auf die Straße zu tragen. Mit seiner Zusammenstellung war der Aufmarsch dieses Jahr wieder ein Zusammentreffen der wichtigsten Akteur*innen eines rechten Terrorismus, die die Relativierung der deutschen Verbrechen und die Verherrlichung des Nationalsozialismus eint.
Die Polizei
Im letzten Jahr zeigte sich die Polizei recht zurückhaltend, wovon in diesem Jahr keine Rede sein kann. Immer wieder wurden Antifaschist*innen gewaltsam zurück gedrängt und dabei Pfefferspray im Übermaß eingesetzt. Besonders skandalös ist, dass auf schon am Boden liegende Personen eingetreten wurde und die Behandlung durch Sanitäter*innen verhindert wurde! Damit hat sich die Polizei in Remagen wieder auf ihre traditionelle „Remagener Linie“ zurückbesonnen: Jeglichen Protest, der es wagt sich in Sicht- oder auch nur Hörweite der Nazis zu bewegen, mit exzessiver Gewalt zu überziehen. Außerdem wurden wieder unzählige Zivilpolizisten in und um unsere Veranstaltungen herum eingesetzt, die sich als Nazis inszenierten, Antifaschist*innen einzeln abfotografierten oder anders versuchten zu provozieren. Wir verurteilen das gewalttätige und kopflose Verhalten der Polizei aufs schärfste und erwarten klare Konsequenzen für die entsprechenden Verantwortlichen!
Fazit
Quelle: Infozentrale
Unter den noch frischen Eindrücken blicken wir wieder einmal mit Gemischten Gefühlen auf den heutigen Tag zurück:
Zwar ist die großflächige und spektrenübergreifende Mobilisierung nach Remagen zu begrüßen, und auch die inhaltliche Kritik am deutschen Opfermythos gelungen zum Ausdruck gebracht worden, allerdings sind auch viele Punkte zu kritisieren:
So sind während der Demo Anwohner*innen mehrmals negativ aufgefallen, in dem aus einem Wohnungsfenster ein Hitlergruß gezeigt und unsere Demonstration mit einem Böller beworfen wurde, was nicht die einzigen Provokationen durch Anwohner*innen an diesem Tag darstellte. Die Teilnehmer des Staffellaufs begrüßten das Anfeuern durch unsere Demonstration zwar, beteiligten sicher aber (genau wie alle anderen Teilnehmer*innen der weiteren Veranstaltungen unter dem Motte „Tag der Demokratie“) größtenteils nicht am sichtbaren Protest in der Nähe der Naziroute sondern beschränkte sich auf rein symbolische Aktionen.
Auch in diesem Jahr konnten die Nazis zwar wieder nicht durch die Innenstadt ziehen sondern mussten eine unattraktivere Route durch das Gewerbegebiet und an Feldwegen vorbei nehmen, allerdings war es nicht möglich, den Verlauf der Nazidemo adäquat zu stören. Dies lag primär daran, dass die Polizei Protest in Sichtweite teils brutal verhindert hat. Zu begrüßen ist, dass es dennoch auch in diesem Jahr mehrere Blockadeversuche gab.
Ein ausführlicheres Fazit werden wir im Laufe der nächsten Wochen veröffentlichen. Jetzt bleibt uns erst einmal nur noch ein großer Dank den vielen Antifaschist*innen die am heutigen Tag mit uns auf der Straße waren und dem Seniorenbeirat Remagen, die wieder deutlich Flagge gezeigt haben!
Kritik & Stellungnahme [Nachtrag]
Aufgrund der oben erwähnten antisemitischen Zwischenfälle, der konkreten Bedrohungen sowie der grundsätzlichen Gewaltankündigung gegenüber Antifaschist*innen, sahen wir uns Ende letzten Jahres gezwungen, die AKAB sowie deren Mitglieder von all unseren Veranstaltungen auszuschließen und jegliche Zusammenarbeit zu unterlassen. Solange sich die Mitglieder von solchen Aussagen nicht klar distanzieren, halten wir diesen Schritt zur Aufrechterhaltung antifaschistischer Standards weiterhin für notwendig.
Trotz einer Erinnerung im Vorhinein der Demo, tauchte eine Vielzahl von Mitgliedern der AKAB auf unserer Demonstration auf. Darüber hinaus traten sie auch mit Gruppenfahnen und der Verteilung von Flyern öffentlich in Erscheinung. Nach Beginn der Kundgebung wurden die anwesenden Mitglieder der AKAB daher von Ordner*innen unserer Demonstration darauf hingewiesen, dass sie nicht erwünscht sind und erneut aufgefordert, die Veranstaltung zu verlassen. Diese Aufforderung wurde mit offensichtlicher Belustigung aufgenommen und es wurde erklärt, dieser nicht nachkommen zu werden. Da wir als Bündnis entschieden hatten, unsere Forderung nicht Mithilfe der anwesenden Polizeikräfte durchsetzen zu wollen, sahen wir uns gezwungen, die Anwesenheit der AKAB zu dulden. Sie und die sich ihr angeschlossenen Gruppen wurden daher ans Ende der Demo verbannt. Auch auf Grund der Tatsache, dass die Demo gefordert und darauf gewartet hatte, dass etwa 100 teils verletzte Menschen aus dem Polizeikessel herausgelassen werden, hat die AKAB unser Verhalten in einem Bericht zum Tag als „begrüßenswerte Zusammenarbeit“ bezeichnet.
Dieses Verhalten seitens der AKAB und anderer beteiligter Gruppen ist eine weitere Respektlosigkeit gegenüber unserem Bündnis und der Arbeit, die wir in den letzten Jahren geleistet haben. Die im gesamten letzten Jahr nicht stattgefundene Auseinandersetzung mit den Gewaltandrohungen seitens der AKAB, sowie das Verhalten verschiedener Gruppen in diesem Jahr, tragen zu einer weiteren Eskalation des Konflikts bei. Es scheint so, als dass es abseits unseres Bündnis kein Interesse an einem respektvollen Umgang auf Grundlage antifaschistischer Standards gibt. Wir sehen uns daher weiterhin gezwungen, die im letzten Jahr beschlossenen Konsequenzen aufrecht zu erhalten und betonen ausdrücklich, dass das Unterlassen eines Auslieferns an die Polizei nicht als Zusammenarbeit oder Unterstützung bestimmter Inhalte oder Gruppen falsch verstanden werden darf. Da unsere Kritik in der bisherigen Form aber offensichtlich nicht ankommt, werden wir als Bündnis über den weiteren Umgang mit der AKAB und anderer Gruppen beraten.